„Der Fiskalpakt ist nicht das Papier wert, auf dem er steht.“

VA FiskalpaktDer Arbeitskreis Wirtschaft & Soziales beschäftigte sich auch zum Abschluss des Jahres mit der Krise in Europa. Von 14.-16. Dezember 2012 kamen 19 Stipendiaten und interessierte Bürger in Gummersbach zusammen, um über die Risiken und Chancen von mehr politischer Integration in Europa, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, zu diskutieren.

Der ehemalige Leiter des AK WiSo, Ekkehard Köhler, Forschungsreferent am Walter-Eucken-Institut, stellte zu Beginn unverblümt fest, dass die Bundesregierung ihre Gestaltungsmacht in Sachen Europa verloren hat. Er sprach sich für einen so genannten „Backstop“ aus, um die fortschreitende Entwicklung hin zu mehr Vergemeinschaftung in Europa aufzuhalten. Europa müsse heute Macht abgeben, um langfristig erfolgreich zu sein.

Prof. Dr. emer. Ralph Anderegg, Universität zu Köln, warf insbesondere als gebürtiger Schweizer einen differenzierten Blick auf die aktuelle Situation in Europa. Er stellte fest, dass der Bruch der Konvergenzkriterien durch 14 der 17 Länder des Euro-Währungsgebiets und der damit verbundene Bruch der europäischen Verträge Hauptursache der so genannten „Eurokrise“ sind. Die Lage Deutschlands beurteilte er jedoch als brillant.

Oliver Treidler, Promotionsstipendiat, nahm eine Bestandsaufnahme der aktuellen wirtschaftspolitischen Strategie der EU vor. Er zeigte, dass das Ziel der Lissabon Strategie, eine entscheidene Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, deutlich verfehlt wurde. Besonders kritisch beurteilte er das Versäumnis der Kommission die Strategien einer transparenten Bewertung zu unterziehen. Da die wesentlichen Schwächen der Strategie nicht korrigiert wurden, sind die Erfolgschancen für die aktuelle Strategie, Europa 2020, als gering einzuschätzen.

Auch Prof. Dr. Thomas Apolte, CIW der Uni Münster, zeichnete ein düsteres Bild von Europa. Er ist davon überzeugt, dass die No-Bailout-Klausel und nunmehr auch der Fiskalpakt das Papier nicht wert sind auf welchem sie stehen. Darüber hinaus wurde nach seiner Überzeugung die politische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank durch diverse Maßnahmen in den vergangenen zwei Jahren aufgegeben.

Dr. Matthias Kullas, Centrum für Europäische Politik in Freiburg, identifizierte die starke Zinskonvergenz in Folge der Euro-Einführung als wesentliche Krisenursache. Auch er äußerte hinsichtlich der Wirksamkeit des Fiskalpaktes Skepsis und bezeichnete diesen lediglich als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte sein notwendig um die Lücken im Ordnungsrahmen des Euroraums langfristig zu schließen. Ein möglicher Baustein könnte eine Begrenzung des Anteils der Staatsanleihen eines Landes sein welche Banken halten dürfen.

Im Rahmen einer Gruppenarbeit simulierten die Teilnehmer Verhandlungen über die Kompetenzverteilung zwischen der EU-Ebene und den Nationalstaaten.

Aufgrund der hohen Heterogenität Europas hält Prof. Dr. Michael Wohlgemuth, Universität Witten/Herdecke und Leiter des Think Tanks Open Europe Berlin, einen flexiblen Integrationsprozess für unabdingbar. Es sei entscheidend sich vom gegenwärtigen „one-size-fits-all“ Ansatz zu lösen. Mitgliedstaaten sollten sich frei entscheiden in welchen Politikbereichen sie dauerhaft oder vorläufig Teil eines „Integrations-Clubs“ sein wollen, nur so könne die Einheit in der Vielfalt langfristig erhalten bleiben.