Bericht: Das Spiel mit dem Hunger? Nahrungsmittelspekulation aus kritischer Perspektive vom 31.10. – 2.11.2014, THA

Vom 31.10. bis zum 2.11.2014 veranstaltete die Initiative Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit in Kooperation mit dem Arbeitskreis Wirtschaft & Soziales in der THA in Gummersbach ein Seminar zum Thema Nahrungsmittelspekulation. Dabei standen neben technischen Aspekten auch die Analyse der aktuellen Marktlage sowie moralische Aspekte bezüglich Hedging und Spekulation im Mittelpunkt des Seminars. Während des Wochenendes hörten die 28 Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer interessante Vorträge verschiedener Referenten aus Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik und diskutierten die Thematik angeregt bis teils sehr kontrovers.

Sven Baumgarten und Justus Hövelmann eröffneten das Seminar am Freitagabend mit einem Vortrag über die Funktionsweise und Besonderheiten von Warenterminmärkten. Diese Einblicke erwiesen sich im Verlauf des Wochenendes als sehr wertvoll, da nicht alle Teilnehmer einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund besaßen und die Thematik bisweilen komplexe Züge annimmt.

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Am Samstagvormittag stellte Alexander Horn (Novo Argumente Frankfurt) die Effizienz von Rohstoffmärkten in den Mittelpunkt seines Vortrags und unterstrich die wichtige Versicherungsfunktion, die Spekulation in Rohstoffmärkten aus Sicht der Produzenten einnimmt. Insbesondere wies er daraufhin, dass kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Future- und Spotpreisen in dem Sinne besteht, dass steigende Kurse für Future-Kontrakte sich auch auf die aktuellen Kurse am Kassamarkt auswirken. Die starken Preissteigerungen auf den Real- und Terminmärkten in den vergangenen Jahren seien demnach vielmehr auf „reale“ Einflussfaktoren – wie z.B. die weltweit gestiegene Nachfrage nach bestimmten Agrarrohstoffen sowie geänderte Konsumgewohnheiten – zurückzuführen.

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Seiner Analyse widersprach im Anschluss Prof. Heiner Flassbeck (ehemaliger UNCTAD Chefökonom und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium a.D.), indem er darauf hinwies, dass es im Zuge der gewachsenen Liquidität und dem Herdenverhalten von Anlegern an den Rohstoffmärkten zu Übertreibungen und Marktverzerrungen gekommen sei, die aber mittlerweile wieder abgeklungen seien. Er differenzierte insbesondere zwischen Spekulanten und Investoren. Erstere nehmen auch seiner Auffassung nach eine wichtige Rolle bei der Absicherung von Realgeschäften ein, da sie mit ihren offenen Positionen den Gegenpart zu den realen Akteuren an den Weltmärkten bilden. Investoren seien im Gegensatz dazu Akteure, die lediglich an steigenden Kursen auf den Rohstoffmärkten partizipieren wollen. Anhand dieser Argumentation sprach sich Professor Flassbeck für ein striktes Verbot für Investoren aus, an den Terminmarktgeschäften teilzunehmen.

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Am frühen Nachmittag setzten sich die Referenten im Rahmen einer Podiumsdiskussion argumentativ mit ihren Positionen auseinander. An der Diskussion, die von unserer Mitstipendiatin Alice Schmidt moderiert wurde, nahmen, neben Herrn Horn und Professor Flassbeck, auch Britta Reimers (Landwirtin und MdEP von 2009 bis 2014) sowie Jutta Sundermann (Mitgründerin Attac Deutschland) teil. Die bisherigen Seminarinhalte wurden kontrovers reflektiert. Zur Frage der Effizienz von Agrarmärkten herrschte weitgehend Uneinigkeit im Teilnehmerfeld. Die Diskutanten stimmten allerdings dahingehend überein, dass ein gänzliches Verbot von Spekulation im Rohstoffsektor nicht zielführend sein kann, da der Handel mit Futures und anderen Terminkontrakten eine wichtige Versicherungsfunktion für den realen Produzenten übernimmt. Die Abgrenzung zwischen sinnvoller und verwerflicher Spekulation erwies sich aber als äußerst schwierig.

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Im Anschluss an die Podiumsdiskussion bekam Jutta Sundermann die Gelegenheit, die Arbeit von Attac Deutschland vorzustellen, die sich insbesondere in Form von Kampagnen manifestiert. Die Teilnehmer diskutierten im Anschluss angeregt über die Art und Weise politischer Interessenvertretung und waren sich allesamt einig, dass insbesondere Vorträge von Referenten mit kontroversen Positionen eine große Bereicherung für das Seminar darstellten.

Am Abend des zweiten Seminartages widmete sich Britta Reimers der Bedeutung der EU-Agrarpolitik für die Weltmarktsituation im Nahrungsmittelbereich. Wenngleich viele Teilnehmer anderer Ansicht waren, schilderte sie die Relevanz der EU-Subventionspolitik für die heimische Landwirtschaft und gewährte auch interessante Einblicke in den Umgang der betroffenen Landwirte mit EU-Regularien. Insgesamt verdeutlichte sie anschaulich den Widerspruch zwischen liberaler Idealvorstellung in der Agrarpolitik und den im politischen Prozess durchsetzbaren Maximalpositionen.

Der Input aus Vorträgen und Diskussionen der ersten beiden Seminartage wurde am Sonntag im Rahmen einer Gruppenarbeitsphase verarbeitet. Daraus erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Thesenpapier, welches hier heruntergeladen werden kann.

Insgesamt hat das Seminar den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen umfassenden Einblick in die Thematik ermöglicht. Neben den fachlichen Aspekten blieb aber natürlich auch für den gemeinsamen Austausch und Abendausklang ausreichend Zeit, was von allen Teilnehmern wie gewohnt sehr positiv aufgenommen wurde.

Seminarleitung: Sven Baumgarten, Berit Brummerloh und Justus Hövelmann

Text: Justus Hövelmann