Erben aus liberaler Perspektive

Bei kaum einem Thema wie der Frage nach der Besteuerung von Erbschaften sind die unter Liberalen vertretenen Positionen so gegensätzlich. Während viele über das Recht auf Eigentum jegliche Form der Erbschafts- und Schenkungssteuer grundsätzlich ablehnen, sehen andere vor dem Prinzip der Leistungs- und Chancengerechtigkeit eine solche Besteuerung als unabdingbar an. So forderte jüngst der schweizer Ökonom Guy Kirsch eine Erbschaftssteuer von 100%. Diese Debatte war der Ausgangspunkt für das Seminar mit dem Titel „Nach dem Tod ist vor der Steuer: Erben aus liberaler Perspektive“, welches als Kooperation des AK WiSo mit dem Regionalbüro München / Thomas-Dehler-Stiftung am Wochenende vom 01. bis 03. April mit 17 Teilnehmern in München stattfand.

Erbschaftssteuer 1Zum Auftakt gab Dr. Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler am Freitagabend einen Überblick über die Geschichte der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Dabei schlug sie den Bogen von den Anfängen im antiken Rom über die Einführung der Erbschaftssteuer im deutschen Kaiserreich im Jahre 1906 bis hin zum aktuellsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die jüngste Geschichte der Erbschaftssteuer ist aus juristischer Perspektive dabei besonders interessant: Innerhalb der vergangenen 20 Jahre hat das Bundesverfassungsgericht das geltende Erbschaftssteuerrecht dreimal für nicht verfassungsgemäß erklärt. Seit der letzten Entscheidung im Dezember 2014 arbeitet der Gesetzgeber nun an einer punktuellen Reform – konnte jedoch trotz der vom Gericht auf den 30. Juni 2016 datierten Frist noch keine Einigung finden. Dies zeigt, dass das Thema sowohl auf juristischer als auch auf politischer Ebene ein sehr schwieriges ist.

Erbschaftssteuer 2Der Samstag begann mit einem Vortrag über die Grundlagen des Erbschaftssteuerrechts von Prof. Dr. Alexandra Coenenberg von der Hochschule Augsburg. Sie stellte die aktuelle rechtliche Lage in Deutschland dar und ging dabei insbesondere auf die jüngst für verfassungswidrig erklärten Ausnahmeregelungen für die Besteuerung von Betriebsvermögen ein. Zudem wurde deutlich, dass insbesondere die Bewertung der Vermögengegenstände (ähnlich wie bei der seit dem Jahr 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer) in der Theorie wie auch in der Praxis höchst schwierig ist und enormen Spielraum für Steuergestaltung bietet. Ein weiteres zentrales Problem ist die Doppelbesteuerung von Auslandsvermögen und der Mangel an Doppelbesteuerungsabkommen im Erbschaftssteuerbereich, wodurch ein Erbfall, in welchem das Erbrecht verschiedener Staaten aufeinander trifft, im Einzelfall durchaus kompliziert werden kann.

Erbschaftssteuer 3Im Anschluss las die Autorin Julia Friedrichs aus Ihrem Bestseller „Wir Erben“. Sie argumentierte, dass der Zweck der Erbschaftssteuer nicht nur in der Generierung von Steuereinnahmen liege, sondern die Steuer insbesondere zur Bekämpfung der sozialen Ungleichheit diene. Angesichts einer geschätzten jährlichen Erbsumme von 250 Mrd. Euro warnte Frau Friedrichs vor der Entstehung einer „Erbengesellschaft“, in der nicht mehr die eigene Leistung ausschlaggebend für den finanziellen Erfolg sei, sondern die Höhe der Erbschaft. Diese Entwicklung sei nicht nur ungerecht, sondern führe auch zu einer Reduktion der Leistungsanreize und damit zu einer ineffizienteren Volkswirtschaft. Zudem berichtete Frau Friedrichs von den Recherchen für ihr Buch, wobei sie festgestellt hat, dass das Erben sowohl für die Betroffenen als auch in der Politik ein Tabu-Thema sei und eine angemessene öffentliche Debatte über dieses Thema daher bisher kaum stattfinde.

Erbschaftssteuer 4Nachdem damit der Grundstein für die Debatte über die Gerechtigkeit des Erbens gelegt war, erläuterte der Unternehmer und Autor Gerd Maas verschiedene Gerechtigkeitsbegriffe und deren Implikationen im Erbfall. Die Teilnehmer wurden dabei aktiv in die Diskussion einbezogen und so wurde schnell deutlich, dass verschiedene Konzepte von Gerechtigkeit in Bezug auf das Erben zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen können.

Das Highlight des Tages war eine sehr lebhafte Podiumsdiskussion, welche von Sebastian Steinmayr,  Chefredakteur des BLR, moderiert wurde.Erbschaftssteuer 5

  • Der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) forderte die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Der Erhebungsaufwand sei angesichts des Anteils von nur 0,74% am Gesamtsteueraufkommen unverhältnismäßig. Auch sei vor dem Hintergrund des jüngsten Verfassungsgerichtsurteils eine rechtlich saubere Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen quasi unmöglich.
  • Der Journalist und Autor Sascha Adamek vertrat dagegen die Position, dass die Erbschaft für den Erben ein Einkommen darstelle und daher besteuert werden müsse. Es sei nur schwer zu rechtfertigen, warum Arbeitseinkommen besteuert werde, aber Erbschaften steuerfrei sein sollten. Zudem sei die aktuelle Erbschaftssteuergesetzgebung ein Werk des Lobbyismus der Familienunternehmer.
  • Dr. Rainer Kambeck, Bereichsleiter Finanzen und Steuern des DIHK, hob die Bedrohung der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch eine Verschärfung der Erbschaftssteuer beim Vererben von Betriebsvermögen hervor. Ohne entsprechende Ausnahmeregelungen würde die Erbschaftssteuer als Substanzssteuer den Fortbestand vieler mittelständischer Unternehmen bedrohen und damit den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft schwächen.
  • Gerd Maas knüpfte an die Gerechtigkeitsdebatte seines vorherigen Vortrags an und bezeichnete die Erbschaftssteuer als ungerecht. Bei Unternehmen sei (wenn überhaupt) die Besteuerung von Gewinnen im Erbfall sinnvoller als die Besteuerung des Bestands an Betriebsvermögen.

Als Fazit der Diskussion kann festgehalten werden, dass sich die Diskussionsteilnehmer trotz aller Meinungsverschiedenheiten zumindest bei der Forderung nach einer Vereinfachung des aktuellen Erbschaftssteuerrrechts einig waren.

Erbschaftssteuer 6Am Abend berichtete der Rechtsanwalt Dr. Achim Doerfer über legale Möglichkeiten zur Steuergestaltung und deren Anwendung in der Praxis. Es war überraschend, wie einfach sich die legalen Gestaltungsräume des Erbschaftssteuerrechts nutzen lassen, um die Steuerlast in erheblichem Maße zu mindern. Diese simplen legalen Mittel, die häufig in der geschickten Ausnutzung der Freibeträge begründet liegen, sind in der Praxis deutlich relevanter als beispielsweise der Umzug ins Ausland. Obwohl also enorme Einsparpotentiale vorhanden und einfach realisierbar sind, machen sich viele vermögende Menschen kaum Gedanken über Ihre Erbschaft, wodurch sie im Falle außergewöhnlicher Familiengestaltungen schnell in die Falle einer außerordentlich hohen Erbschaftssteuerbelastung fallen können.

Erbschaftssteuer 7Zum Abschluss des Seminars am Sonntagmorgen gab Prof. Dr. Bernhard Zwahlen von der Kalaidos Fachhochschule einen Überblick über das Erbschaftssteuerrecht in der Schweiz. Wenngleich das deutsche und das schweizerische Erbschaftssteuerrecht sich grundsätzlich relativ ähnlich sind, spielt der Steuerwettbewerb der Kantone in der Schweiz bei der Erbschaftssteuer eine entscheidende Rolle. Daher unterscheiden sich sowohl die rechtliche Ausgestaltung als auch die Steuerhöhe zwischen den Kantonen teilweise erheblich. Trotz der damit verbundenen Bürokratie wird in der Schweiz eine bundesweite Vereinheitlichung der Erbschaftssteuer aufgrund föderalistischer Prinzipien mehrheitlich abgelehnt.

Insgesamt können wir auf ein sehr aufschlussreiches Seminar zurückblicken. Ein vermeintliches Spezialthema wie das Erbschaftssteuerrecht zeigte dabei exemplarisch, wie bei der Steuergesetzgebung verschiedene akademische Disziplinen und politische Ansichten aufeinandertreffen. Selbst wenn auf ökonomischer, soziologischer, (rechts-)philosophischer und juristischer Ebene ein akzeptabler Kompromiss erzielt werden kann, liefert die Praxis der Steuerbürokratie neue Herausforderungen. Eine einfache Antwort auf die Frage, ob die Erbschaftssteuer in der heutigen Form nur kleinerer Reformen bedarf oder ganz abgeschafft werden sollte, gibt es vor diesem Hintergrund  dagegen nicht.

Seminarleitung: Stephan Wennike, Sergej Fröhlich, Johannes Berger & Justus Hövelmann
Text: Matthias Göhner
Fotos: Johannes Berger & Matthias Göhner