Geistfragen und Geldfragen – Bildungskonferenz 22. November 2013 in Hamburg
Wohlwissend um die Bildungserfolge, die die beiden letzten Jahrhunderte auszeichneten, um das durchaus achtbare Bildungsniveau und auch die Zeitgebundenheit v.a. der Lerninhalte, sollte ein übergreifendes Bild vom Status Quo entworfen, vor allem aber Weiterentwicklungen der hiesigen Bildungslandschaft in den Blick genommen werden.
Mit den „Geldfragen“ verbunden waren jene Fragen nicht nur nach Finanzierung, sondern übergreifend nach der Organisation des Bildungssystems und den politischen Entscheidungsstrukturen. Mit den „Geistfragen“ verbunden – untrennbar von den Organisationsfragen – wurden Lerninhalte, Zuschnitte und Angebote universitärer Ausbildung, summarisch aber vor allem die Frage nach einem größeren Pluralismus, einer weiterhin zunehmenden Ausdifferenzierung der Bildungsangebote.
Das Denken in den großen Zusammenhängen zahlte sich aus: Recht einhellig wurde konzediert, dass staatlicher Bildungsehrgeiz – derzeit v.a. sichtbar in den Quoten, am prominentesten die für Abiturienten und Studierende – kaum automatisch bessere Bildung generiert und bestenfalls wirkungslos verpufft. Und schon das „Besser“ blieb nicht unhinterfragt. Die Quotierung bestimmter Bildungsabschlüsse versimpelt eine an sich erfreulich ausdifferenzierte Bildungslandschaft. Den Quoten entgegengesetzt wurde u.a. der Vorschlag, die diversen Ausbildungswege und Abschlüsse zu honorieren. Vor allem Josef Kraus als Präsident des Lehrerverbands führte eindrücklich vor, dass der einseitige Bezug auf Quoten als Planungsgröße der Bildungspolitik notwendigerweise schlicht zu Lasten der Qualität geht und notwendigerweise auch die Vielheit anderer Abschlüsse tendenziell abwertet.
Eine andere, nicht weniger umfängliche Verbindung von Geist- und Geldfragen spielte eine ebenso große Rolle: V.a. Dr. Stefan Kooths vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut fragte u.a. nach einer glückenderen Verbindung von (Arbeits-)Markt und Bildungssektor. Unterlegt blieb die Debatte nach der Übernahme auch der finanziellen Verantwortung für Bildung. Gerade aus ökonomischer Sicht blieb so beispielsweise ohne Zweifel, dass Akademiker sich an den statistisch belegten „Profiten“ ihrer Ausbildung beteiligen. Das jedoch war nur ein Aspekt dieser Korrelationen, die eindrücklich in Erinnerung riefen, Bildung nicht allein als Selbstzweck zu handeln.
Die finanzielle Verteilungsungleichheit im Bildungssystem – die Finanzierung der Hochschulstudien steht dabei am krassesten im Gegensatz zur Finanzierung des Vorschulbereichs – darf man dann als historisch gewachsene betrachten, die sukzessive auszutarieren ein Anliegen liberaler Politik sein müsse. Das unterstrich die Hessische Kultusministerin Nicola Beer. Sie schärfte daneben vor allem die Sensibilität für Grenzen staatlicher Reglementierung. Aufgezählt wurden aktuelle Herausforderungen vor allem der Schulbildung – Herausforderungen, die meisterbar sind, durch jeden einzelnen Akteur, nicht durch ein Mehr an staatlicher Regelung. Gerade hier wurde mit Blick auf politische Kernaufgaben nicht nur die an sich positive Bildungsentwicklung deutlich, sondern ein staatlicher Bildungs- und Erziehungsehrgeiz selbstkritisch hinterfragt.
Damit war ein Bogen gespannt zu Robert Nef, dem Gründer und Leiter des Züricher Liberalen Instituts. Mit anderem Fokus sprach er von einem Lebensunternehmen Bildung und sah jeden einzelnen – jeden Lebensunternehmer – damit in der Verantwortung. Dabei machte er eindrücklich deutlich, dass die Verantwortung für Bildung beim Einzelnen in der Regel besser aufgehoben ist als in den Händen von Behörden. Nicht nur steigt die Bereitschaft und mithin die Fähigkeit, selber Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig können die jungen Menschen und ihre Eltern in der Freiheit der Selbstverantwortung ein passendes Bildungskonzept wählen, das dem Einzelnen tatsächlich gerecht werden kann.“
Die Bandbreite des Diskutierten war groß: Eine durchgehende Frage blieb der Zuschnitt von Lehrinhalten, die Frage nach mehr oder weniger Spezialisierung. Um möglichst breite, ausdifferenzierte Bildungsangebote zu erhalten, müssten aber auch andere Strukturen einziehen. Konkret besprochen wurden Gutscheinmodelle. Hierzu leitete Justus Lenz von Die Familienunternehmer ein Panel. Ein Neudenken von Bildungspflicht anstelle einer Schulpflicht wurde als weiteres Mittel auf dem Weg zu einer ausdifferenzierten Bildungslandschaft von Dagmar Schulze Heuling in einem weiteren Panel empfohlen.
Die Diskussionen in den Panels wie im Plenum blieben lebhaft. In der Stipendiatenschaft werden sie fortgeführt. Allen Referenten und Diskutanten sei für ihre Beiträge und Impulse herzlich gedankt.
Text: Dr. Susanne Liermann, Referatsleiterin Stipendiatenbetreuung