Gender Pay Gap – Gleiche Arbeit, gleicher Lohn?

Vom 17. bis 19. Juni 2016 veranstaltete der AK Wirtschaft & Soziales in Zusammenarbeit mit der Initiative Feminismus ein Seminar mit dem Titel „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn? – Das Gender Pay Gap aus liberaler Perspektive“. Das Seminar fand mit 21 Teilnehmern in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach statt.

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Zum Einstieg referierte Dr. Gérard Bökenkamp von Open Europe Berlin über die historische Entwicklung der Arbeitsmarktpartizipation von Frauen. Dabei kam er zu dem Schluss, dass die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen historisch betrachtet ein relativ neues Phänomen sind. Während in einer Agrargesellschaft die geschlechterspezifischen Einkommensunterschiede gering sind, schuf die Industrialisierung die Grundlage für das Gender Pay Gap. Der damit verbundene Wohlstandszuwachs ermöglichte die Ausbreitung der klassischen „Hausfrauenehe“, da nun das Einkommen eines Ehepartners zur Ernährung der Familie ausreichte. Durch eine Verschiebung der Präferenzen sei dagegen in jüngerer Vergangenheit wieder eine stärkere Arbeitsmarktpartizipation von Frauen zu beobachten, weshalb auch tendenziell ein Rückgang der geschlechterspezifischen Einkommensunterschiede aus Erwerbsarbeit zu beobachten sei.

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Der Samstag begann mit einem Vortrag von Dr. Alexander Fink, Assistant Professor an der Universität Leipzig und Senior Fellow des Institute for Research in Economic and Fiscal Issues (IREF). Dr. Fink erklärte die Methodik zur statistischen Messung des Gender Pay Gap und stellte die Ergebnisse einer Untersuchung von Boll und Leppin (2015) vor. Dabei machte er deutlich, warum eine Betrachtung der unbereinigten Einkommenslücke von 22,8 % nur wenig aussagekräftig sei. Vielmehr müsste eine Zerlegung nach Einflussfaktoren vorgenommen werden, um zwischen dem Teil, der durch andere Faktoren wie Erwerbserfahrung, Erwerbsumfang und Branche erklärt werden kann, und dem unerklärten Teil, der möglicherweise auf Diskriminierung zurückzuführen ist, zu unterscheiden. Letzterer wird auch als bereinigte Einkommenslücke bezeichnet und beträgt in der vorliegenden Studie 2,3 %.

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Anschließend bot Dr. Ursula G.T. Müller, Soziologin und Staatssekretärin i.R., einen feministischen Blick auf die Thematik. Zunächst stellte sie fest, dass beim Gender Pay Gap große Unterschiede nach Region und Branche existieren. Das Problem beschränke sich jedoch nicht auf den Privatsektor. Auch im öffentlichen Dienst führe die schlechtere Eingruppierung von sozialen Berufen im Vergleich zu anderen Berufen mit vergleichbarem Anforderungsniveau mittelbar zu einem Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern. Den Hauptgrund für die Geschlechtereinkommenslücke sieht Dr. Müller allerdings in der sogenannten „Care-Arbeit“, also unbezahlter Arbeit im Haushalt, welche nach wie vor überwiegen von Frauen geleistet werde und dazu führe, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Im Hinblick auf die Unterschiede hinsichtlich der Arbeitszeit werde daher oft auch von einem „Gender Time Gap“ gesprochen. Weiterhin seien insbesondere Mütter von der Einkommenslücke betroffen, sodass auch von einem „Motherhood Pay Gap“ gesprochen werden könnte. In der Politik fehle dagegen nach wie vor ein einheitliches familienpolitisches Konzept, stattdessen existieren derzeit zwei Modelle nebeneinander: Das klassisch-konservative „Haupternährer-Modell“ (z.B. im Ehegatten-Splitting) und das modernere „Individualfamilien-Modell“ (z.B. bei der Unterhaltsregelung). Die damit verbundenen strukturellen Widersprüche erschweren den Abbau des Gender Pay Gap.

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Darüber hinaus referierte Claire Boeing-Reicher, Ph.D. vom IfW Kiel über die arbeitsmarktökonomische Betrachtung des Gender Pay Gaps. In ihrem Vortrag stellte sie eigene Berechnungen und mehrere Studien aus den USA vor, wo die Thematik aufgrund der Datenverfügbarkeit wesentlich besser erforscht ist als in Europa. Die Studien zeigten, dass das Gender Pay Gap sich im Altersverlauf variiert: Während es bis zum 45 Lebensjahr stark ansteigt, geht die Einkommenslücke mit höherem Alter zurück. Dabei erscheint die Diskriminierung nach Geschlecht deutlich stärker zu sein als beispielsweise die Diskriminierung nach Hautfarbe, allerdings schreitet der Abbau der Diskriminierung nach Geschlecht auch schneller voran. Besondere Aufmerksamkeit weckte eine Untersuchung von Geijtenbeek und Plug (2015), in welcher festgestellt wurde, dass transsexuelle Frauen unterdurchschnittlich verdienen, während transsexuelle Männer überdurchschnittlich verdienen. Dies entkräftet das Argument, dass Lohnunterschiede damit gerechtfertigt werden könnten, dass Frauen aus biologischer Sicht weniger produktiv seien als Männer.

Am Abend wurden folgende drei Filmbeiträge intensiv diskutiert:

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Zum Abschluss erklärte Dr. Sebastian Pacher, Senior Consultant bei Kienbaum Management Consultants, die Grundlagen des Lohnfindungsprozesses in Unternehmen. Darüber hinaus stellte er mehrere Studien vor, die auf Basis der umfangreichen Kienbaum-Gehaltsdatenbank und mithilfe von zusätzlichen Unternehmensbefragungen durchgeführt wurden. Zwar sei das Thema Frauenförderung in vielen Firmen auf der Agenda, dennoch lasse sich nach wie vor auch bei vergleichbaren Tätigkeiten ein Gender Pay Gap messen. Insbesondere die gesetzliche Quotenregelung von 30% für Aufsichtsräte stellt derzeit viele Unternehmen vor eine große Herausforderung. Die erfolgreiche Förderung von Frauen müsse aber stattdessen vielmehr in den darunter liegenden Managementebenen beginnen.

Das Seminar sollte jedoch nicht nur der Weiterbildung der Seminarteilnehmer, sondern auch der Entwicklung eines liberalen Thesenpapiers dienen. Grundlage dessen ist die Beobachtung, dass die Diskussion über das Gender Pay Gap (wie auch andere Themen des Feminismus) tendenziell eher auf der linken Seite des politischen Spektrums stattfindet und Liberale dieser Thematik bisher nur wenig Aufmerksamkeit schenken. Wenn der politische Liberalismus aber nicht nur zuschauen will, wie sich paternalistische Regulierung und nicht-marktwirtschaftliche Konzepte auf diesem Gebiet durchsetzen, müssen liberale Gegenkonzepte entwickelt werden. In einer Gruppenarbeitsphase wurden daher Ideen gesammelt, auf deren Basis wir zeitnah ein Thesenpapier verfassen möchten.

Insgesamt zeigte das Seminar vor allem eines: Eine sachliche Debatte über das Gender Pay Gap ist durchaus möglich und kann viele neue Erkenntnisse aufzeigen. Gleichzeitig ist das Thema aber deutlich zu komplex, um es auf einfache Slogans zu reduzieren. Die öffentliche Debatte über das Gender Pay Gap besteht jedoch nicht selten darin, sich gegenseitig genau solche einfachen Slogans an den Kopf zu werfen, statt tatsächlich Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Daher freuten wir uns umso mehr über die kontroversen, aber stets sachlichen Diskussionen im Rahmen dieses Seminars.

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Seminarleitung: Matthias Göhner, Nele Belau, Fabian Kurz & Kristina Kämpfer
Bericht: Matthias Göhner
Fotos: Matthias Göhner & Max Zombek