Gewerkschaften in einer liberalen Wirtschaftsordnung

Vom 29. bis zum 31. Mai veranstaltete der AK WiSo in Zusammenarbeit mit dem Regionalbüro NRW der Friedrich-Naumann-Stiftung ein Seminar zum Thema „Gewerkschaften in einer liberalen Wirtschaftsordnung“. Das ebenso aktuelle wie kontroverse Thema ließ spannende Diskussionen erwarten und so hatten sich insgesamt 10 Seminarteilnehmer in den Räumen der Universität Düsseldorf eingefunden.

02 IMG_4465Das Seminar begann mit einem Vortrag von Dr. Gérard Bökenkamp vom Think-Tank Open Europe Berlin. Herr Dr. Bökenkamp analysierte das Zusammenspiel zwischen Arbeitsmarktordnung und Währungsordnung aus ordnungspolitischer Perspektive. Dabei ging er insbesondere auf die Rolle von Gewerkschaften ein, welche auf dem Arbeitsmarkt zur Rigidität von Nominallöhnen beitragen, und erläuterte die makroökonomischen Konsequenzen dieser Rigidität. Seine Thesen belegte er mit historischen Beispielen aus dem 20. Jahrhundert und stellte einen Zusammenhang zur Eurokrise her: Der Euro als transnationale Währung auf der einen Seite und die überwiegend nationaler Regulierung unterliegenden Arbeitsmärkte auf der anderen Seite stellen zwei nicht miteinander kompatible Ordnungen dar.

03 IMG_4472Am Samstagmorgen lieferte Prof. Dr. Christian Wey, Professor an der Universität Düsseldorf und Mitarbeiter des Düsseldorf Institute for Competition Economics, eine wettbewerbsökonomische Betrachtung des Arbeitsmarkts. Dabei betonte er die Bedeutung von Wettbewerb sowohl auf der Arbeitgeberseite als auch auf der Arbeitnehmer- bzw. Gewerkschaftsseite. Dieser Wettbewerb dient insbesondere der Vermeidung eines gemeinsamen Kartells von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dessen gemeinsames Ziel der Aufbau von Markteintrittsbarrieren sowohl für neue Unternehmen als auch für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter ist.

04 IMG_4476Anschließend führte Dr. Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln die Unterscheidung zwischen substitutivem und komplementärem Gewerkschaftswettbewerb ein. Auf Basis der zunehmenden Macht von Spartengewerkschaften, welche im komplementären Gewerkschaftswettbewerb zu streikintensiven Statuskonflikten führt, argumentierte er für das Tarifeinheitsgesetz. Demnach stellt dieses Gesetz trotz aller Nachteile eine wirksame Maßnahme zur Reduktion der aus den Statuskonflikten resultierenden volkswirtschaftlichen Kosten dar.

Die in den beiden Vorträgen deutlich gewordene unterschiedliche Bewertung von Wettbewerb zwischen Gewerkschaften führte daraufhin zu einer kontroversen Diskussion zwischen beiden Referenten und den Seminarteilnehmern.

09 IMG_4463Nach dem Mittagessen wurde dann die gesellschaftliche Rolle von Gewerkschaften genauer beleuchtet, wobei insbesondere die positiven Aspekte dargestellt wurden. Ursprünglich war für diesen Programmpunkt ein Vortrag eines gewerkschaftsnahen Referenten vorgesehen, jedoch schien die gesamte Gewerkschaftsbewegung in Deutschland an diesem Wochenende verhindert gewesen zu sein, sodass die Seminarleiter diese Aufgabe übernehmen mussten. Nach einem kurzen Impulsvortrag wurde anhand von beispielhaften Zitaten das Selbstbild von Gewerkschaften diskutiert. Dabei konnte die grundlegende Bedeutung der gewerkschaftlichen Vertretung von Arbeitnehmerinteressen insbesondere unter Berücksichtigung der Koalitionsfreiheit nicht widerlegt werden.

05 IMG_4491Am Abend fand in einem Hotel auf der Düsseldorfer Königsallee ein öffentlicher Vortrag mit Thomas Franzkewitsch, Referent für Arbeit, Gesundheit und Soziales der FDP-Fraktion im Landtag NRW, statt. Herr Franzkewitsch erläuterte am Beispiel der GDL die Problematik bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Streiks. Aus juristischer Sicht ist ein Streik verhältnismäßig, wenn ein legitimer Zweck vorliegt und der Streik als Mittel zur Durchsetzung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dabei stellte er fest, dass grundsätzlich eine Einzelfallprüfung der genannten Kriterien vorzunehmen ist und somit allgemeine Aussagen über die Verhältnismäßigkeit schwierig sind.

07 IMG_4594Am Sonntagmorgen referierte Stephan Seiwerth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn, über den juristischen Zusammenhang zwischen Gewerkschaften und dem System der Sozialversicherung in Deutschland. Da im deutschen Sozialversicherungssystem Arbeitnehmerverbände und Gewerkschaften stark eingebunden sind, stellt sich angesichts des Rückgangs des gewerkschaftlichen Organisationsgrads der Arbeitnehmer die Frage, ob diese Vertretung weiterhin hinreichend legitimiert ist. Zudem besteht durch die gewerkschaftliche Vertretung die Tendenz, dass die Interessen nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer nicht hinreichend repräsentiert werden. Als Folge ist in den letzten Jahren zunehmendes staatliches Eingreifen zu beobachten, was aus liberaler Perspektive durchaus kritisch gesehen werden kann.

Trotz der verhältnismäßig geringen Teilnehmerzahl war das Seminar ein voller Erfolg, was sowohl an den interessanten Vorträgen der Referenten als auch an der hohen Diskussionsbereitschaft und dem ausgeprägten Fachwissen der Teilnehmer lag. Besonderer Dank gilt Fabian Poetter für die hervorragende Organisation und professionelle Leitung des Seminars vor Ort.

Seminarleitung: Fabian Poetter, Justus Hoevelmann und Matthias Göhner
Text & Fotos: Matthias Göhner