Schuld und Sühne – Wege aus der Staatsverschuldung, 12.-14. Juli 2013, THA
Vom 12. bis zum 14. Juli 2013 lud der AK WiSo zum Seminar „Schuld und Sühne – Wege aus der Staatsverschuldung“ nach Gummersbach ein, um sich mit der staatlichen Schuldenproblematik zu befassen. Neben der vertiefenden Analyse standen auch Lösungsansätze zur Begrenzung der Staatsverschuldung in der Zukunft auf dem Programm.
Nach der Begrüßung durch die Seminarleiter Clemens Schneider und Justus Hövelmann wurden die 21 Seminarteilnehmer im Rahmen eines kurzen Vortrags mit allgemeinen Begriffsdefinitionen und Erkenntnissen aus der Finanzwissenschaft zum Thema Staatsverschuldung vertraut gemacht. Die grafische Darstellung der Entwicklung der staatlichen Schuldenstände und Finanzierungssaldi in ausgewählten EU-Staaten veranschaulichte auch die Eskalation der staatlich verursachten Problematik in der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Der AK WiSo freute sich sehr, bereits zu Beginn des Seminars Tobias Benz vom Institut für Generationenverträge der Universität Freiburg begrüßen zu dürfen, der in einem eindrucksvollen Vortrag mit dem Titel „Implizite Staatsverschuldung – die große Unbekannte“ über die Dimension der impliziten Staatsverschuldung in der BRD berichtete. Dabei handelt es sich um die Gegenüberstellung von zukünftig zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben des Staates und damit um die maßgebliche Größe bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit staatlicher Finanzpolitik. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Leistungen der sozialen Sicherungssysteme mit Auszahlungsanspruch der Versicherten in der Zukunft, für die zur jetzigen Zeit keine adäquaten Rückstellungen gebildet worden sind. Der demografische Wandel und die damit einhergehenden Verschiebungen in der Beitragsstruktur machen die implizite Staatsverschuldung zu einem sehr ernsten Problem für kommende Generationen.
Der zweite Seminartag wurde durch Dr. Gérard Bökenkamp vom Liberalen Institut der FNF eröffnet. In seinem Vortrag schilderte er die Entstehung der Staatsverschuldung in Deutschland. Durch eine akademisch fehlgeleitete und von der Politik falsch verstandene und umgesetzte Fiskalpolitik wurden im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik zu oft kurzfristige soziale Wohltaten auf Kosten eines soliden Staatshaushaltes finanziert. Eine anschauliche Lektion, gerade auch vor dem Hintergrund aktueller Wahlversprechen von Seiten der Politik.
Clemens Schneider ließ es sich als Mitkoordinator des AK WiSo nicht nehmen, in einem Vortrag zur Public Choice Theorie die massive Rolle von Eigeninteressen politischer Entscheidungsträger beim Anhäufen immer größerer Schuldenberge hervorzuheben. Der Wirtschaftsnobelpreisträger James Buchanan erkannte demnach schon früh, dass ein kurzfristiger Horizont politischer Versprechungen und die fehlende Zuordnung von individueller Verantwortung zu politischen Entscheidungen zentrale Probleme für das demokratische System bilden können. Nicht umsonst bezeichnete er die von ihm begründete Public Choice ausgesprochen treffend als „Politics without Romance“. Der Vortrag orientierte sich vor allem an Buchanans 1977 erschienenem Buch „Democracy in Deficit. The Political Legacy of Lord Keynes“, das leider auch heute noch von hoher Aktualität ist. Die große durch Keynes eingeleitete und in ein Explodieren der Staatsverschuldung führende Wende sieht Buchanan darin, dass mit Keynes die Vorstellung zerstört wurde, dass man nur ausgeben kann, was man vorher auch eingenommen hat. Der Etat war nun nicht mehr dazu da, die Staatsaufgaben zu finanzieren, sondern diente dazu, die Wirtschaft zu steuern und Wohlstand und Arbeit zu generieren. Mit dem Ende der Fiskaldisziplin begann das Zeitalter der Verschuldung, dessen Folgen uns heute so massiv belasten.
Im Anschluss referierte Karolin Herrmann vom Deutschen Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler über die desolate Kassenlage von Kommunen und Gebietskörperschaften. Auf dem Weg zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sind durch Reformen in der Vergangenheit – wie z.B. die Einführung der doppischen Buchhaltung in immer mehr Kommunen – bereits entscheidende Schritte gemacht worden. Dennoch bleiben der Politik nach Ansicht der Expertin noch zu viele Möglichkeiten zur versteckten Schuldenaufnahme und Umschichtung auf Kosten der Transparenz öffentlicher Haushaltsführung, von denen nach wie vor auch umfassend Gebrauch gemacht wird. Eine Lösungsmöglichkeit für diese Transparenzproblematik böte bspw. das Verknüpfen von öffentlichen Zuschüssen zu kommunalen Haushalten an die Vorlage eines unabhängig geprüften kommunalen Jahresabschlusses, der leider bis heute nicht zwingend selbstverständlich ist.
Am Nachmittag des zweiten Seminartages zeigte der AK WiSo einen Film mit dem Titel „I.O.U.S.A.“, der die dramatische Lage des US-amerikanischen Bundeshaushaltes und die Sucht der USA nach immer mehr kreditfinanziertem Wachstum bildgewaltig veranschaulichte.
Via Skype aus London zugeschaltet sprach am Samstagabend Ulrich Andreas Zanconato von den European Students for Liberty zu den Seminarteilnehmern über die Methode der „Financial Repression“. Dabei handelt es sich um die Gesamtheit der politischen Instrumente, die einem Staat zur Verfügung stehen, um die Investition in staatliche Schuldtitel in Relation zu alternativen Anlageformen für Marktteilnehmer attraktiver zu gestalten. Die Kombination aus Regulierungen und einer beständigen niedrigschwelligen Inflation führt über einen längeren Zeitraum dazu, dass Staat sich entschulden kann, ohne dass der Bürger dies durch drastische Maßnahmen wie Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen oder hohe Inflationsraten direkt zu spüren bekommt. Dabei wurde auch deutlich, dass viele der Regulierungen, die vorgeblich der Eindämmung von „Casino-Aktivitäten“ der Banken dienen sollen, in erster Linie eine Bevorzugung staatlicher Schuldtitel vor privaten Anlageoptionen zum Ziel haben.
Zum Abschluss des Seminars sprach am Sonntag Dr. Jan Vosswinkel vom Centrum für Europäische Politik über Strategien zum Schuldenabbau. Neben der Beantwortung der generellen Frage, ob staatliche Verschuldung überhaupt notwendig sei, ging er auf den ursprünglichen Zusammenhang zwischen Schulden, Vertrauen und Verantwortung ein. In der Wiederherstellung dieser verloren gegangenen Relation machte er die wahrscheinlich elementarste Voraussetzung für die Wiedererlangung finanzpolitischer Solidität aus. Allerdings zeigte er auch auf, dass neben den Schulden des öffentlichen Sektors auch die Verschuldung des Privatsektors mittlerweile bedenkliche Dimensionen angenommen hat.
Insgesamt freut sich der AK WiSo über ein gelungenes Seminarwochenende, mit informativen Vorträgen durchweg noch sehr junger Referenten und anregenden Diskussionen, in denen auch das überwiegend stipendiatische Plenum wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beitrug.
Für das ein jedes Seminar nachhaltig bereichernde stipendiatische Miteinander war beim gemeinsamen Abendausklang in der Wacholderstube auch abseits der Vorträge reichlich Gelegenheit, sodass manches Wiedersehen für heitere Momente sorgte.